Die Entdeckung eines jungen, nahegelegenen Supernovaüberrestes – RX J0852.0-4622 – durch ROSAT |
Discovery of a Young Nearby Supernova Remnant – RX J0852.0-4622 – by ROSAT |
Die überwiegende Anzahl von Supernovaüberresten (SNRs) emittiert thermische Strahlung, die von einem optisch dünnen Plasma mit Temperaturen im Bereich von 1 - 10 Millionen K herrührt. Das Spektrum erreicht daher ein Maximum bei Energien zwischen 0,1 und einigen keV. Eine nahezu verschwindende Minderheit von SNRs weist ein Spektrum mit einem Potenzgesetzverlauf auf, das auf einen Synchrotronursprung schließen läßt und dessen Fluß mit zunehmender Energie abnimmt, so daß der überwiegende Anteil der Strahlung bei geringen Energien zu finden ist. Die interstellare photoelektrische Absorption unterdrückt jedoch den niederenergetischen Fluß in besonders starker Weise. Für eine Säulendichte des interstellaren Materials von weniger als 1022 cm-2 erweist sich jedoch der Meßbereich (0,1-2,4 keV) des ROSAT-Teleskops (XRT) als besonders günstig für die effiziente Entdeckung von SNRs. Darüberhinaus sind das große Öffnungsverhältnis des Teleskops, die ausgesprochen niedrige Hintergrund-Störstrahlung im Detektor durch Teilchen und die Abbildungseigenschaften des Teleskops von großem Vorteil für die Entdeckung und das detaillierte Studium von SNRs. Es wurde erwartet, daß insbesondere für die Überreste mit ausgeprägt niedriger Flächenhelligkeit bahnbrechende Erkenntnisse ge-wonnen werden würden. In der Tat wurden mit dem positionsempfindlichen Proportionalzähler Abbildungen von SNRs von bislang unerreichtem Kontrast und Dynamik gewonnen. Flächenhelligkeitskarten konnten mit einer räumlichen Auflösung von bis zu 30 Bogensekunden erstellt werden, und Temperaturkarten wurden für die helleren Überreste aus den Spektren trotz der vergleichsweisen geringen Auflösung abgeleitet. Aufgrund der Registrierung jedes einzelnen Photons konnten im Durchmusterungsmodus von ROSAT Bilder des Himmels von unbegrenzter Größe am Boden im Anschluß an die Messung rekonstruiert werden. So konnten zum ersten Mal Bilder der weit ausgedehnten galaktischen Überreste in ihrer vollen Ausdehnung erstellt werden. Dazu gehören der Loop I mit dem North Polar Spur (Durchmesser ungefähr 116°), der Monogem Ring (Durchmesser ungefähr 20°), die Cygnus Super-Bubble (Durchmesser ungefähr 20°), der Cygnus Loop (Größe ungefähr 3°- 4°) und der Vela SNR (Durchmesser ungefähr 8.3°). |
The majority of supernova remnants (SNRs) emits thermal radiation from a hot optically thin plasma with temperatures in the range of about 1 - 10 million K. The emission therefore peaks at energies between about 0.1 and a few keV. A small minority of remnants shows synchrotron emission with a power-law energy spectrum decreasing with energy so that the bulk of the emission is found at low energies. However, interstellar photoelectrical absorption effectively limits the low energy flux. For an interstellar hydrogen column density of less than 1022 cm-2 the band pass (0.1-2.4 keV) of the ROSAT X-ray Telescope (XRT) is quite suitable for an efficient detection of SNRs. Furthermore, the fast optics of the telescope and its large field of view, the very low non-X-ray detector background and the imaging capabilities of the XRT are of great benefit for the detection and detailed study of SNRs. In particular for remnants of very low surface brightness new scientific grounds are expected to be broken. With the position-sensitive proportional counter images of SNRs have been taken of unprecedented contrast and dynamical range. Surface brightness maps have been constructed with a spatial resolution down to 30 arcsec, and, by using the though moderate spectral resolution temperature maps have been derived for the brighter remnants. Because of the single-photon counting mode the sky-scan mode of ROSAT allowed to build up images of an unlimited field on ground post-facto. So the large-diameter galactic remnants were for the first time imaged to their full extent, including Loop I with the North Polar Spur (diameter about 116°), the Monogem Ring (diameter about 20°), the Cygnus Super-Bubble (diameter about 20°), the Cygnus Loop (size about 3°- 4°) and the Vela SNR (diameter about 8.3°). |
Ein besonders interessanter SNR ist der Vela SNR aufgrund seiner geringen Entfernung von 500 pc – vor kurzem vorgenommene Messungen weisen sogar auf eine Entfernung von nur 250 pc hin – und seines Alters, das auf 12000 bis 30000 Jahre geschätzt wird. Das führt zu einer hohen Röntgenflächenhelligkeit, so daß auch Details gründlich studiert werden können. Die Konstellation Vela wurde mit dem ROSAT-Röntgenteleskop während der Himmelsdurchmusterung zwischen Oktober 1990 und Januar 1991 aufgenommen. Das entsprechende Bild, das die Region des Vela SNR zentriert auf den Vela-Pulsar enthält, ist in Abb. 3.8 für Photonenenergien, die größer als 0,1 keV sind, wiedergegeben. Dies ist die untere Energiegrenze von ROSAT. Dieses Bild zeigt zum ersten Mal die volle Ausdehnung des SNR; insbesondere die westliche Hälfte wurde zum ersten Mal sichtbar, was belegt, daß der Vela Pulsar recht nahe am Symmetriezentrum liegt. Der westliche Teil wurde in keinem Wellenlängenbereich zuvor gesehen, da seine Flächenhelligkeit zu gering ist. Die Entdeckung der Röntgenauswüchse, die außerhalb der allgemeinen SNR-Berandung erscheinen, war eine weitere Überraschung. Sie werden als Fragmente interpretiert, die aus der ursprünglichen Explosion stammen; d.h. es handelt sich um Material aus dem explodierten Stern. Im Verlaufe des Studiums dieser Fragmente wurde der Vela-SNR auf viele verschiedene Arten analysiert; z. B. wurden Bilder in Energiebändern erzeugt, die sich von den für ROSAT üblicherweise verwendeten Standardbändern unterscheiden. |
A particularly interesting SNR is the Vela SNR because of its low distance of about 500 pc – more recent measurements indicate a distance of just 250 pc – and its age, which has been estimated to something between 12000 and 30000 years, which leads to a high X-ray surface brightness, so that details can be studied to great depth. The constellation Vela was scanned by the ROSAT X-ray telescope during the all-sky survey between October 1990 and January 1991. The image including the Vela SNR region centred on the Vela pulsar is shown in Fig. 3.8 for photon energies greater than 0.1 keV, which is the low-energy threshold of ROSAT. This image shows for the first time the full extent of the SNR; in particular the western half has been imaged for the first time demonstrating that the Vela pulsar is located rather close to the symmetry centre. The western section has never been seen before at any wavelength because of its low surface brightness. Another surprise was the discovery of the X-ray protrusions outside the general SNR boundary. They have been interpreted as fragments of the original explosion, i. e. material of the exploded star. In the course of the study of these fragments the Vela image was analysed in many different ways, e.g. images in energy bins were created which were different from the standard ROSAT channel settings. |
In der Abb. 3.9 ist das gleiche Feld wie das der Abb. 3.8 wiedergegeben, aber für Photonenenergien, die größer als 1,3 keV sind. Der größte Teil der Vela-Rönt-genemission, die von den kleinen Energien dominiert wird, ist verschwunden. Im Zentrum verbleibt der Synchrotron-Nebel um den Pulsar sowie die sich in Richtung Süd-Süd-West erstreckende balkenähnliche Struktur, die scheinbar mit dem Pulsar verknüpft ist; außerdem befindet sich im äußersten Nordwesten der helle Puppis-A SNR. Eine neue Struktur, die nur bei diesen hohen Energien sichtbar wird und die ansonsten vollständig von der Vela SNR Emission überstrahlt wird, taucht im Südosten als ein röntgenheller kreisförmiger Emissionsbereich von nahezu zwei Grad im Durchmesser auf. Im Norden und Süden ist der Rand deutlich heller. Er hat eine Breite, die sich auf etwa 20% des SNR Radius beläuft. Die Randaufhellung fehlt in den Ost- und Westbereichen. Diese Morphologie ist charakteristisch für einen SNR, und keine andere Klasse bekannter Röntgen-Objekte zeigt eine derartige Struktur. Das mit dem ROSAT PSPC aufgenommene Röntgenspektrum läßt sich zufriedenstellend mit dem Modell für ein thermisch strahlendes Plasma wiedergeben, was die Identifikation als SNR unterstützt. Die Temperaturen sind sehr hoch und übersteigen 30 Millionen K. Derartig hohe Temperaturen hat man bislang nur bei recht jungen SNRs beobachtet, die nicht älter als etwa 1000 Jahre sind. Man kennt sechs dieser jungen SNRs. Dies sind Cas A, Keplers SNR, Tychos SNR, die Explosionswolke der Supernova aus dem Jahr 1181, der Krebs-Nebel und der Überrest der Supernova aus dem Jahr 1006. Der Vergleich belegt klar, daß der neue SNR jung ist, und aufgrund seines großen Winkeldurchmessers kann er demzufolge auch nicht sehr weit entfernt sein; er muß näher als 1 kpc sein. Die geringe Entfernung wird durch die Beobachtung gestützt, daß das Röntgenspektrum keine Spuren hoher Absorption durch Gas und Staub im interstellaren Raum aufweist. |
Fig. 3.9 shows the same field as Fig. 3.8 again imaged with ROSAT but at photon energies greater than 1.3 keV. Most of the Vela X-ray emission which dominates at low energies has disappeared. At the centre the synchrotron nebula around the Vela pulsar remains as well as the south-south-west beam-like structure apparently associated with the pulsar, and at the very north-west the bright Puppis-A SNR is located. The new feature visible only at these high energies which is otherwise completely outshone by the Vela SNR emission is an X-ray bright circular emission region in the Southeast with a diameter of 2°. It is limb brightened in the north and in the south with a limb width of about 20% of the remnant radius. Limb brightening is absent in the east and west sections. This morphology is a clear sign that this object is a separate SNR, since no other class of known X-ray objects shows such a structure. The ROSAT X-ray spectrum taken with the PSPC can be fitted satisfactorily with a thermal plasma emission model, supporting the identification as an SNR. The temperatures are very high exceeding 30 million K. Such high temperatures have been observed so far only in rather young remnants, which are not older than about 1000 years. There are six such young remnants known, which are Cas A, Kepler's SNR, Tycho's SNR, the remnant of the supernova of the year 1181, the Crab Nebula and the remnant of the supernova of the year 1006. The comparison clearly indicates that the new remnant is young and because of the large angular diameter the remnant can not be far away; it has to be closer than 1 kpc. This short distance is supported by the fact that the spectrum is not significantly absorbed by interstellar gas and dust. |
Die Schlüsse, die aus dem Vergleich mit anderen jungen Überresten gezogen werden, sind nur qualitativ and nicht sehr präzise. Aber Alter und Entfernung können auch abgeschätzt werden, indem man das Gesetz der adiabatischen Ausdehnung, die sogenannte Sedov-Beschreibung, auf das Spektrum und die räumliche Größe anwendet. Die Sedov-Relation, die das Anwachsen der Größe einer Explosionswolke mit der Zeit beschreibt, wurde zum ersten Mal in den späten 40er Jahren auf die Explosion von Atombomben angewandt. Die aus dieser Beziehung abgeleiteten Werte für Alter und Entfernung für den neuen SNR stimmen mit denen aus dem Vergleich mit anderen jungen SNRs gewonnenen Werten überein, wenn die Explosionsenergie vergleichsweise gering war. |
The conclusions drawn from comparison with other young SNRs are rather qualitative and not too precise. Another way to deduce age and distance is to apply the law of adiabatic expansion, the so-called Sedov description, to the spectrum and size of the SNR. The Sedov relation which describes the increase of size with time was first applied to explosion of nuclear bombs in the late 40s. The analysis shows that for a low-energy explosion age and distance derived this way are consistent with the estimates made by comparison with other young remnants. |
Abb. 3.8: ROSAT Röntgenbild (14°x 14°) der Vela-Kon-stellation im Energiebereich von 0,1-2,4 keV. Das Bild wird dominiert von dem 8,5° großen Vela-Supernova-überrest sowie dem sehr viel kleineren Supernova-überrest Puppis-A in der Nordwest-Ecke (rechts oben).
Fig. 3.8.: ROSAT X-ray image (14 x 14) of the Vela constellation taken at energies between 0.1 - 2.4 keV. The image is dominated by the Vela supernova remnant of 8.5° in size and the much less extended supernova remnant Puppis-A in the northwest corner (upper right). |
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Abb. 3.9: ROSAT Röntgenbild der gleichen Himmelsregion wie Abb. 3.8 für Photonenenergien größer als 1,3 keV. Nahezu die gesamte Emission des Vela-Supernova-überrestes ist verschwunden; Teile des sehr hellen Überrestes Puppis-A verbleiben. Ein neuer Supernova-überrest RX J0852.0-4622 taucht als kreisförmiges, zu-sammenhängendes Gebiet im Südosten (links unten) auf. Mit einem Alter von 700 Jahren und einer Entfernung von etwa 200 pc ist dies der nächste Überrest einer Supernova der jüngeren Geschichte. Fig. 3.9: ROSAT X-ray image of the same sky region as Fig. 3.8 but for energies greater than 1.3 keV only. Almost the entire emission of the Vela SNR has disappeared; parts of the bright Puppis-A remains visible. A new supernova remnant RX J0852.0-4622 has emerged as coherent disc-shaped emission region in the south-east (lower left). At an age of 700 years and a distance of 200 pc the new supernova remnant is the remnant of the closest supernova of recent human history. |
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Die Entdeckung von RX J0852.0-4622 und die Deutung als SNR geschahen bereits früh im Jahr 1996. Aber sie wurden nicht publiziert, da es keine weiteren Messungen über diesen neuen SNR gab. Auch war keine Radiostrahlung von diesem Objekt bekannt, und Radiostrahlung wird für gewöhnlich für die Identifikation eines Objekts als SNR gefordert. Aber nach der Entdeckung der Röntgenstrahlung wurde untersucht, ob RX J0852.0-4622 zum g -Fluß der 26Al-Linie, der mit COMPTEL für die Vela-Region gemessen worden war, beitragen könnte. Aufgrund der Identifikation als SNR und wegen der geringen Entfernung wurde RX J0852.0-4622 als aussichtsreicher Kandidat angesehen, der einen meßbaren Beitrag zum 26Al-Fluß liefern könnte. 1,8 MeV g -Linien werden beim radioaktiven Zerfall von 26Al abgestrahlt, das in Supernovae, aber auch in anderen Quellen, gebildet und abgegeben wird. Die 1,8 MeV Quellregion in Vela ist ausgedehnt, aber sie zeigt ein ausgeprägtes Maximum in der Nähe des Zentrums des neuen SNR. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat Uwe Oberlack, der damals unserer g -Astronomiegruppe angehörte, die ROSAT-Röntgenkarte der Vela-Region verwendet, um die 1.8 MeV g -Karte zu modellieren. Dabei wurden der Vela-SNR in seiner vollen Ausdehnung, die Explosionfragmente des Vela-SNR, RX J0852.0-4622 und weitere potentielle Quellen erfaßt. Er fand zwei, für COMPTEL punktquellenartig erscheinende Objekte, die von ihrer Lage her zu dem beobachteten Maximum im 1,8 MeV Fluß signifikant hätten beitragen können. Dies ist eines der Explosionsfragmente und RX J0852.0-4622. Die Positionen des g -Maximums und des Zentrums von RX J0852.0-4622 stimmen innerhalb der 2-s -Lokali-sierungsgenauigkeit von COMPTEL überein. Aus dem Anteil des 1,8 MeV Flusses, der RX J0852.0-4622 zugemessen wurde, ergab sich eine Entfernung für RX J0852.0-4622 von (160 ± 20) pc. Dies Ergebnis stimmte mit den Ergebnissen überein, die ausschließlich aus den Röntgendaten gewonnen worden waren. Aber da diese aufregend niedrige Entfernung zu jener Zeit nicht durch andere Messungen dingfest zu machen war, und da es weitere konkurrierende 26Al-Quellen wie das Vela-Fragment gab, wurden die Ergebnisse nicht publiziert. Mit der Entdeckung der g -Linienstrahlung von 44Ti, das ein Isotop ist, das ausschließlich in Supernovae produziert wird, änderte sich die Situation schlagartig im Frühjahr 1998, als die 44Ti-Messungen bekannt wurden. Die kurze 44Ti-Halbwertszeit von etwa 60 Jahren impliziert unmittelbar ein geringes Alter und wegen des großen Winkeldurchmessers der Röntgenquelle auch eine geringe Entfernung. Macht man Gebrauch von dem Wert für den 44Ti-Linienfluß und dem Winkeldurchmesser, wie er von ROSAT gemessen wurde, ergibt sich ein Alter für den Überrest von 700 ± 150 Jahren und eine Entfernung von 200 ± 100 pc (siehe auch den nachfolgenden Bericht über ausgewählte Forschungsberichte von A. Iyudin and G. Lichti). Interessanterweise stimmen diese Ergebnisse mit den früher aus den 26Al-Messungen abgeleiteten Werten überein. |
The discovery of RX J0852.0-4622 and the interpretation as an SNR was made already in early 1996 but not published because there were no other measurements around about this new SNR, even no radio emission from it was known, which is usually considered to be essential for an SNR identification. But after the discovery of the X-ray emission it was attempted to identify RX J0852.0-4622 as a source contributing to the 1.8 MeV 26Al g -ray line emission from the Vela region, which had been mapped with the COMPTEL instrument. Because of its identification as an SNR and because of its apparently low distance RX J0852.0-4622 was considered a good candidate to provide a measurable amount of the 26Al g -ray line emission. 1.8 MeV g -ray lines are emitted in the radioactive decay of 26Al, which is processed and released in supernovae but admittedly in other sources as well. The 1.8 MeV Vela source appears to be extended with a significant peak close to the center of the new SNR. In the framework of his thesis in 1997 Uwe Oberlack of our g -ray astronomy group has used the ROSAT X-ray map of the Vela region to model the 1.8 MeV g -ray map, taking into account the full size of the Vela SNR, the Vela SNR explosion fragments, RX J0852.0-4622 and other potential sources. He found two "COMPTEL point-like" sources which could contribute significantly to the g -ray peak, which are one of the Vela SNR fragments and RX J0852.0-4622. The peak position and the center position of RX J0852.0-4622 agree within the 2-s localisation accuracy of COMPTEL. With the amount of 1.8 MeV g -ray line flux attributed to RX J0852.0-4622 the distance of the source was estimated to be (160 ± 20) pc. This result was supporting the findings based on just the analysis of the X-ray data. But because this excitingly low distance for an SNR was not supported by any other measurements at that time and because of other competing 26Al sources like a possibly nearby fragment of the Vela SNR the results were not published. But after the discovery of the g -ray line emission from 44Ti, which is an isotope exclusively produced in supernovae, the situation changed drastically in early 1998, when the 44Ti measurements became known. The short half life of 44Ti of about 60 years immediately implies a low age and a correspondingly low distance because of the X-ray angular diameter. Taking together the 44Ti-line-flux measurements and the X-ray angular diameter the age of the remnant turns out to be 700 ± 150 years and the distance is 200 ± 100 pc (see the following Highlight Report by A. Iyudin and G. Lichti). Interestingly these results are in agreement with the results derived earlier from the 26Al measurements. |
Nach der Veröffentlichung ist auch über Radioemission von dem neuen SNR berichtet worden, die nun die Identifikation als SNR bestätigt. Beobachtungen im optischen Spektralbereich sind im Gange, und jetzt konzentrieren sich die Diskussionen auf die Art des Vorläufersterns, d.h. war die Explosion ein "Gravitationskollaps" Ereignis, oder wurde ein massearmer Stern durch explosionsartigen Abbrand zerstört (Supernova vom Typ Ia). Es gibt beträchtliche Hinweise darauf, daß der Vorläuferstern massereich war und sein Leben in einem "Gravitationskollaps" endete (Supernova vom Typ Ib, IC oder II). Zwei Röntgenpunktquellen wurden in der Nähe des Explosionszentrums in den ROSAT-Bildern entdeckt, von denen eine, falls bestätigt, ein Neutronenstern sein könnte, der bei einer "Gravitationskollaps"-Explosion verbleibt. Der Röntgenfluß einer jeden der beiden Quellen ist so gering, daß die Schwarzkörper-Oberflächen-temperatur des vermeintlichen Neutronensterns nicht 300000 K überschreiten kann, was überraschend niedrig ist für einen 700 Jahre alten Neutronenstern. |
Meanwhile also radio emission from the new remnant has been reported, confirming the source as an SNR. Optical observations are under way, and now the discussion concentrates on the type of the progenitor star, i.e. was the explosion a core-collapse event (supernova of the types Ib, Ic or II)or did a low-mass star undergo destruction by deflagration (supernova of the typ Ia). There is considerable evidence that the progenitor star was quite massive and its life was terminated by a core-collapse. Two X-ray point sources close to the explosion center have been discovered in the ROSAT image, one of which, if confirmed, may be a neutron star left in a core-collapse explosion. The flux of either one of the two neutron-star candidates is so low that the black-body surface temperature of the putative neutron star cannot exceed 300000 K, which is surprisingly low for a 700 years old neutron star. |
Eine Supernova, die in einer Entfernung von 200 pc explodiert, hätte einen spektakulären Anblick für die Zeitgenossen im 13. oder 14. Jahrhundert bieten müssen. Wenn wir die volle Bandbreite unserer Altersbestimmung ausschöpfen, sollten wir das 12. und 15. Jahrhundert nicht ausschließen. Aber wie spektakulär dieses Ereignis wirklich war, hängt von der absoluten Helligkeit ab. Für eine helle Supernova des Typs Ia wäre der Lichtausbruch so hell wie der Vollmond gewesen. Bei einer derartigen Helligkeit hätte die Supernova bei Tageslicht beobachtbar sein können. Die Lichterscheinung einer Supernova des Typs II, Ib oder Ic, deren absolute Helligkeit erheblich geringer sein kann, wäre um Größenordnungen weniger hell ausgefallen. Aber sie hätte immer noch heller als Venus strahlen müssen. Welcher Fall auch immer vorliegt, die Supernova hätte sichtbar sein müssen. |
A supernova going off at a distance of 200 pc should have been a spectacular sight for the contemporaries in the 13th or 14th century. If we take into account the full band of our age determination also the 12th and the 15th century should not be excluded. How spectacular this event was depends just on the absolute visual magnitude. For a bright supernova of type Ia the burst of light would have been as bright as the full moon. With this brightness it should have been visible even in daylight. For a type II, Ib or Ic which are intrinsically fainter the light output can be orders of magnitude less, but it would still have been as bright as Venus. In either case it should have been seen. |
Die Astronomen im Fernen Osten in China, Japan und Korea pflegten Aufzeichnungen von Himmelserscheinungen anzufertigen, auch für die Epoche der Supernova, von der hier berichtet wird. Ihre Observatorien befanden sich typischerweise bei geographischen Breiten von ~35° Nord, so daß die Supernova von RX J0852.0-4622 bis zu 11° über dem Horizont nach Sonnenuntergang zwischen Mitte November und Ende März hätte aufsteigen müssen. Aber aufgrund der geringen Elevation und der kurzen Dauer ihrer Sichtbarkeit erscheint es nicht unmöglich, daß die Supernova verpaßt worden ist. Sie wäre nach etwa 250 Tagen mit bis zu 5 visuellen Magnituden oder einhundertmal schwächer wieder über dem Horizont erschienen und dann zu dunkel für eine Beobachtung geworden. Vielleicht ist sie aber auch gesehen, aber nicht notiert worden. Es ist interessant festzustellen, daß die fernöstlichen, mittelalterlichen Aufzeichnungen unvollständig zu sein scheinen; z. B. zeigen sich zwei relativ große Lücken für die Jahre 1245 – 1264 und 1277 – 1293, die ausgesprochen lang im Vergleich zur mittleren Rate der Eintragungen sind. Diese Jahre fallen in die Zeit, als China von den Mongolen erobert und beherrscht wurde; in Japan übernahm 1192 der erste Schogun die Herrschaft; in Europa und Nordafrika fanden im 13. Jahrhundert die letzten vier Kreuzzüge statt, und in Ägypten übernahmen die Mameluken die Macht. Zusammenfassend gesagt war das 13. Jahrhundert eine Zeit des politischen Umbruchs von Europa bis in den Fernen Osten, so daß astronomische Ereignisse möglicherweise nicht von übergeordneter Bedeutung waren und nicht aufgezeichnet wurden oder die Aufzeichnungen später vernichtet worden sind. Wenig bekannt für dieses Jahrhundert ist über die Azteken und die Inkas, denn viele ihrer Überlieferungen wurden 250 Jahre später vernichtet. |
Records of astronomical events including the epoch of the supernova proposed by us were taken by the far-east astronomers of China, Japan and Corea. Their observatories were typically located at a geographical latitude of ~35° north so that the supernova of RX J0852.0-4622 would have risen above the horizon after sun-set by up to 11° from middle of December to end of March. Because of this low elevation and the rather short visibility it is not unlikely that the supernova has been missed. It would have reappeared after about 250 days but then the light would have been much fainter by about 5 visual magnitudes or a factor of 100. Furthermore, if we look up the ancient far-east records it is interesting to note that these records appear to be incomplete; there are two rather long gaps between the years 1245 – 1264 and 1277 – 1293 for instance, which are too long compared to the mean rate of events. These years fall in the time period when China was conquered and ruled by the Mongoles; in Japan the first Shogun came to power in 1192; in Europe and North-Africa the 13th century was the time of the last four crusades and in Egypt the Mamelukes took over power in 1279. Altogether it appears that the 13th century was a period of political change from Europe to the Far-East, so that astronomical events were probably not of top priority and were either not recorded or their records were later destroyed. There is little known about the Aztecs or the Incas in those centuries because many of their traditions have been destroyed 250 years later. |
Es gibt einige Berichte über ungewöhnliche Himmelsereignisse, die möglicherweise in Beziehung mit einer Supernova irgendwann zwischen dem 13. und frühem 16. Jahrhundert stehen. In der "Historia General" von Sahagun findet sich eine Aussage Moctezumas über das Erscheinen einer sehr hellen "Flamme", die Nacht für Nacht ein Jahr lang gesehen wurde. Dies ereignete sich 10 Jahre bevor die Spanier nach Mexiko kamen, also im Jahr 1519. Dante Alighieri berichtet in seiner "Vita Nuova" von einem kosmischen Ereignis, dem Erscheinen eines neuen Sterns im Jahre 1290. Schließlich gibt es Überlieferungen, daß die Völker von Simbabwe im 13. Jahrhundert ihren Lebensraum verließen, um geführt von einem neuen Stern woanders zu siedeln. |
A few reports about unusual celestial events which might have been related to a supernova have become known for the time between the 13th and the early 16th century. The "Historia General" by Sahagun contains a statement made by Moctezuma about the appearance of a bright "flame" in the sky lasting one full year seen night by night. This happened 10 years before the Spaniards came to Mexico, which was in 1519. Dante Alighieri in his "Vita Nuova" reported a cosmic event, which was the appearance of a new star in 1290. And finally there are traditions that the people of Zimbabwe in the 13th centuries left their homes to settle elsewhere guided by a new star. |
Astrophysikalisch läßt sich feststellen, daß nach gegenwärtigen theoretischen Vorstellungen der Vorläuferstern im Falle einer "Gravitationskollaps"-Supernova masse-reich und damit so hell gewesen sein muß, daß er mit bloßem Auge hätte gesehen werden können. So hätte er ein relativ helles Stern-Mitglied der Vela Konstellation gewesen sein müssen. Himmelskarten, die älter als etwa 500 Jahre sind, sollten auf diesen Extrastern hin untersucht werden. Zusammenfassend sei gesagt, daß es noch viel zu tun gibt, um herauszufinden, ob die Supernova oder gar ihr Vorläuferstern gesehen wurden. |
Coming back to astrophysics, according to current theory the progenitor star for a core-collapse supernova should have had a visual magnitude before exploding clearly exceeding the detection limit of the unaided eye, and the star should have been a bright member of the Vela constellation. Old sky charts, older than about 500 years, should be inspected for this extra star. In summary there is still a lot of research to be done to find out whether the supernova and/or its progenitor have been seen. |
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B. Aschenbach |