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Komplexe Plasmen in SchwerelosigkeitSeit Anfang 2001 steht die PKE-Nefedov-Apparatur an Bord der Internationalen Raumstation für Experimente zur Verfügung. Bisher (Jan. 2005) wurden 11 Missionen mit insgesamt 36 Experimenten zu je 90 Minuten Dauer durchgeführt. Es ist die am meisten verwendete naturwissenschaftliche Apparatur auf der ISS mit einer Folge von mehr als 15 Publikationen in renomierten wissenschaftlichen Zeitschriften.Unter normalen Schwerkraftbedingungen auf der Erde sind meist nur komplexe Plasmen mit begrenzter vertikaler Größe - meist nur einige Gitterebenen - realisierbar. Die Teilchen befinden sich dann in einem schmalen Bereich, wo die Gewichtskraft durch die elektrische Abstoßung der Elektrode kompensiert wird. In Schwerelosigkeit dagegen können wir große, dreidimensionale Plasmakristalle herstellen und untersuchen (siehe Abb. 1). Damit steht uns ein weitaus größerer Parameterraum offen, der uns erlaubt, neue physikalische Effekte zu studieren, die auf der Erde nicht zugänglich wären. ![]() Abb.1: Typischer Anblick eines komplexen Plasmas in Schwerelosigkeit (PKE-Nefedov). ![]() Abb.2: Merkmale eines komplexen Plasmas (3-sekundige Überlagerung der Teilchenspuren)
Die typischen statischen und dynamischen Merkmale eines komplexen
Plasmas, wie es mit PKE-Nefedov unter Schwerelosigkeit zu beobachten
ist, zeigt Abb. 2. Das Bild zeigt eine 3-sekundige Überlagerung
der Teilchenspuren im Plasma. Die bedeutendsten Merkmale sind:
Das Void: Der teilchenfreie Raum in der Mitte zwischen den Elektroden kann durch eine Bilanz der auf die Teilchen wirkenden Kräfte erklärt werden. Da in Schwerelosigkeit die sonst dominierende Gewichtskraft der Teilchen fehlt, können nun Kräfte studiert werden, die um einige Größenordnungen geringer sind. Diese Kräfte sind die elektrostatische Kraft FQ, die von dem die Teilchen einschließenden elektrischen Potential (das in der Mitte ein Maximum hat und radial wie axial abnimmt) herrührt, und der Ionenreibungskraft Fid. Letztere wird verursacht durch die Ionen, die vom Zentrum nach außen beschleunigt werden und mit den Mikroteilchen kollidieren. Nach den bekannten Formeln von Barnes et al. ist die Ionenreibung zu gering, um die elektrische Kraft des Potentials zu überwinden. Demnach sollte sich gar kein Void bilden. Eine erste wichtige Konsequenz aus den Experimenten unter Schwerelosigkeit ist, die Ionenreibung neu zu betrachten, was zu einer Verstärkung gegenüber dem "klassischen" Effekt um einen Faktor von ca. 10 führt. Diese neue Theorie kann unsere Beobachtungen hervorragend erklären. Da die Ionenreibungskraft eine große Rolle bei vielen plasmaphysikalischen Prozessen spielt, ist diese neue Erkenntnis - gewonnen durch unsere Experimente auf der ISS - als wichtiger Fortschritt zu werten. Unter ganz bestimmten Experimentbedingungen kann das Void geschlossen werden. Der Neutralgasdruck sollte unterhalb 0.5 mbar (50 Pa) liegen und die Hochfrequenz-Spannung sollte so niedrig wie möglich sein, kurz vor dem Verlöschen des Plasmas. Unter diesen Umständen ist die Plasmadichte so gering und das elektrische Feld so schwach, dass schließlich die Ionenreibungskraft überwunden wird und die Teilchen das Void ausfüllen können. Grenze zwischen Void und komplexem Plasma: Das Gleichgewicht zwischen den oben beschriebenen (entgegengesetzten) Kräften bestimmt die Position, die ein Teilchen im Plasma einnimmt. Allerdings kann diese Gleichgewichtsposition nicht den scharfen Rand erklären. Wir entdeckten, dass das komplexe Plasma die lokale Potentialverteilung so ändert, dass eine zweilagige Plasmarandschicht ("double layer") entsteht. Diese führt zu einer lokalen Umkehrung des elektrischen Feldes, was die scharfe Trennung erklären kann. Dieses Phänomen, welches auch bei der Plasma-Wand-Wechselwirkung beobachtet wird, existiert anscheinend auch in unserem Fall, wo die "Wand" extrem porös ist. (Der Flächenfüllfaktor (Teilchen/Zwischenraum) beträt in unserem Fall nur ca. 10-4!) Entmischung verschiedener Teilchengrößen: Die Kräfte auf die Teilchen sind abhängig von der Teilchengröße. FQ ~ a und Fid ~ a2, wobei a der Radius der Mikroteilchen ist. Dies führt zu einer Gleichgewichtsposition, die für kleine Teilchen näher am Zentrum liegt, als für große, was die beobachtete Entmischung zwanglos erklärt. Das neue ist daher nicht die Entmischung, sondern vielmehr, wie diese Entmischung in einem stark gekoppelten Plasma abläuft. Dieser Punkt wird derzeit mit gezielten Experimenten auf der ISS untersucht. Zur Zeit lässt sich nur sagen, dass das Erreichen des endgültigen Gleichgewichtszustands durch einen neuen, universellen Prozess bestimmt wird, den wir ''Nicht-Gleichgewichts-Phasenübergang'' (''non-equilibrium phase transition'') nennen. Dieser Prozess - eine Besonderheit stark gekoppelter Systeme - war bisher nicht bekannt. ![]() Diese Daten erlauben uns, die Physik von Korngrenzen, Gitteranregungen, etc. in 3-D auf dem fundamentalsten, kinetischen Level zu studieren, denn die (per Video) beobachtete Dynamik lässt direkte Rückschlüsse auf die Kräfte auf die Teilchen zu. Wirbel: In den Randgebieten des komplexen Plasmas zeigen die Bahnen der Teilchen eine wirbelähnliche Struktur. Diese werden durch starke Inhomogenitäten des elektrischen Feldes an den Rändern der Elektroden und durch die in die Elektroden eingelassenen Staubdispensoren verursacht. Diese Inhomogenitäten wiederum beeinflussen lokal die Kräfte FQ und Fid, was zu dieser konvektionsähnlichen Bewegung der Teilchenwolke führt. Obwohl sich diese Bewegung weitgehend unserer Kontrolle entzieht, gewährt sie uns doch einige Einblicke in die Kinetik von Scherflüssen, was in weiteren Experimenten noch genauer untersucht werden wird. Diese werden jedoch möglicherweise erst mit den Nachfolgern von PKE-Nefedov durchgeführt werden. PK-3 Plus z.B. ist eine Weiterentwicklung von PKE-Nefedov, bei dem die Anordnung der Elektroden und der Teilchendispensoren so verändert wurde, dass das elektrische Feld eine höhere Symmetrie und Homogenität aufweist. PK-4 hingegen wartet mit einem völlig anderen Konzept (Gleichstrom- anstelle von Hochfrequenz-Entladung) auf, womit inbesondere Teilchenflüsse und Scherströmungen, also eher "flüssige" komplexe Plasmen, unter die Lupe genommen werden sollen. Mehr Ergebnisse (2)... |
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